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Samstag, 12. Oktober 2024

Ein Jahr verschenkt?

Am 9. Oktober 2023 startete die Petition zur Einführung einer Europäischen Vermögenssteuer.
Diese Forderung richtete sich an die Europäische Kommission (Link).

Über den Zeitraum von einem Jahr hatten Medienschaffende, Sozialpolitiker:innen und Verbände die Möglichkeit, der Öffentlichkeit dieses Thema näherzubringen.
Einer der Initiatoren war Thomas Piketty. Zumindest dieser Ökonom sollte Menschen, die sich mit Finanz/-Sozialpolitik beschäftigen, ein Begriff sein.

Ein Blick in die Onlinesuchmaschinen zeigt, dass außer den „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“, „NZZ“, „LeMonde“ und „FAZ“, keine Medien über diese Petition berichteten.
In den linksliberalen Printmedien gab es keine Auseinandersetzung mit der Forderung.
Piketty polarisiert, sicher. Daher wäre ein „pro/contra“ spannend gewesen.

Das Thema „Reiche und Vermögenssteuer“ wurde ausgiebig erwähnt, auch in der Tagesschau oder im Deutschlandfunk.
Nur der Ansatz zum Handeln fehlte. Auch wenn Onlinepetitionen nur eine gewisse Reichweite/Aussagekraft haben und Risiken bergen, diese Petition richtetet sich an die Europäische Kommission, mit einem ähnlichen Handlungsspielraum wie einer Eingabe an den entsprechenden Ausschuss des Deutschen Bundestages.

Anscheinend war dieses Thema zu komplex, und es wurde lieber über die Petition zur Wiederholung eines Fußballspiels bei der EM berichtet.
In der DLF Sendung „Nach Redaktionsschluss“ erklärte ein Redakteur, dass sein zeitlicher Rahmen für ein Nachfassen bei Interviews begrenzt sei.

Also sieht es so aus, als wenn Journalist:innen in Qualitätsmedien und dem ÖRR nicht die Möglichkeit haben, innerhalb eines Jahres die Petition eines weltweit bekannten Ökonomen zur Kenntnis zu nehmen, und einen Diskurs darüber anzuregen.

Auch die Verbände und Sozialpolitiker:innen sollten sich fragen, ob sie sich in der Lage sehen, die Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation so zu begleiten, dass die Mehrheit in diesem Land abgeholt wird.

Die libertäre Vertreter:innen aus Politik und Wirtschaft können sich aktuell entspannt zurücklehnen.
Der Ausschuss der Europäischen Kommission braucht sich nicht mit dem Thema Vermögenssteuer auseinanderzusetzen.
Von den ca. 427 Millionen wahlberechtigten EU Bewohner:innen haben sich 349.000 beteiligt, also 0,08 Prozent. Und die erforderlich Quoren in sieben Ländern wurden nicht erreicht.
Somit sind 99,92 Prozent der Bewohner:innen in der EU damit einverstanden, dass (Super)Reiche fiskalisch nicht verstärkt in die Verantwortung zu nehmen sind. Das ist doch mal eine (polemische) Aussage.

Zum Abschluss ein wenig Hoffnung. Mehr als 100.000 Menschen haben in Deutschland die Petition gegengezeichnet, und das Quorum wurde erreicht. Würden die gleiche Anzahl von Unterschriften bei einer Petition an den Deutschen Bundestag zustande kommen, wäre es ein riesen Erfolg!

Vielleicht erkennen Sozialpolitiker:innen und Verbände das Potential und handeln zielgerichteter. Es bleiben 11 Monate bis zur Bundestagswahl, um Handlungsspielräume aufzuzeigen.

Danach kommen nur Erhöhungen der Sozialabgaben und Leistungskürzungen, die dann Futter für die Wahlkampfteams der Populisten sind.


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