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Sonntag, 3. April 2022

Eigenverantwortung - Ein Unwort?

 

Im Treppenhaus stapeln sich die Prospekte, die die Nachbarn aus den Briefkästen heraus geholt, und auf eben diesen abgelegt haben. Die Altpapiertonne steht vor dem Mietshaus, keine fünf Meter entfernt. Seit Jahren denke ich darüber nach, warum Menschen so handeln. Aus Bequemlichkeit, oder aufgrund von Ignoranz? Einmal in der Woche wird das Treppenhaus gereinigt, und die Hinterlassenschaften entsorgt. Somit ist immer jemand da, der hinter einem aufräumt. Ein Nachdenken über das eigene Handeln scheint nicht erforderlich.

Das erklärt vielleicht auch unseren Umgang mit dem Klimawandel. Das eigene Handeln wird nicht mit Konsequenzen in Verbindung gebracht.
Eine Raumtemperatur von 26 Grad scheint genauso normal, wie mit 200 km/h auf der Autobahn zu rasen.

Über die Jahre hat unsere Gesellschaft verlernt, sich mit den Folgen des immer größer werdenden Konsums auseinanderzusetzen. Es gibt immer eine vermeintliche Rechtfertigung für das eigene Handeln. Ein Prozess, der sowohl von der Politik, als auch von der Wirtschaft begünstigt wurde.
Jetzt, nach zwei Jahren Pandemie und einem andauernden Krieg auf europäischen Boden, werden einige Güter knapp und es kommt zu Preissteigerungen. Diese Entwicklung ist für Menschen besonders bitter, die aus monetären Gründen keinen Verzicht ausüben können.

Dieser Beitrag richtet sich allerdings an die Menschen, die verzichten können.

Es trifft zu, dass der Begriff „Eigenverantwortung“ häufig dazu verwendet wird, um staatliches Nichthandeln im Neoliberalismus zu beschönigen.
Eigenverantwortung jedoch zum Unwort zu erklären, hilft meiner Ansicht nach nicht weiter.
Der Begriff Verantwortung trägt den Wortteil „Antwort“ in sich. Somit ließe sich Eigenverantwortung auch so erklären, dass wir uns selbst Fragen stellen, und nach einer eigenen Lösung suchen.

Selbstverständlich ist es möglich im Auto mit 220 km/h von A nach B zu rasen. Den Motor beim Eiskratzen laufen zu lassen, oder 500 Meter mit dem PKV zum Bäcker zu fahren.
Nur, dann verbrauche ich eben Ressourcen, und muss dafür bezahlen. Das ist die Konsequenz aus meinem Handeln bzw. Verhalten. Und nein, es gibt keinen Artikel im Grundgesetz, der mir eine Durchschnittsgeschwindigkeit garantiert. Das Gleiche gilt für Zähneputzen mit laufenden Wasser, Duschen/Baden oder Dauerlüften bei auf 26 Grad eingestellter Heizung.

Wir haben uns, aus den eingangs erwähnten Gründen, daran gewöhnt, dass jemand hinter uns aufräumt. Werden wir aufgefordert uns selbst darum zu kümmern, fangen wir an zu motzen. Und die Politik der letzten Jahrzehnte hatte Angst vor diesen motzenden Wähler:innen, die aufgestachelt von unerträglichen Boulevardblättern Populisten hinterherliefen, die ihre bisherige Weltanschauung garantierten.

Dieses Weltbild hat jedoch nie real existiert!

Wenn sich Teile einer Gesellschaft nur dann frei fühlen, wenn sie über ihr eigenes Handeln nicht nachzudenken brauchen, und es dann auch noch eine Partei in der aktuellen Koalition gibt, die diesen Begriff der Freiheit definiert, wie sollen wir die Herausforderungen in der Zukunft bewältigen?

Ich bin dankbar für die deutlichen Worte des amtierenden Wirtschaftsministers vor ein paar Tagen, der unser Handeln recht deutlich in das korrekte Verhältnis zu unserem Anspruch gesetzt hat. Es gibt keinen umweltfreundlichen Konsum. Umweltverträglichkeit ist das maximale Ziel. Und dazu gehört auch, dass überproportionaler Ressourcenverbrauch zu monetärer Belastung führen muss. Denn leider ist ein großer Teil unser Gesellschaft nicht gewillt die bestehende Freiheit für eigenverantwortliches Handeln zu nutzen.


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