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Sonntag, 30. Januar 2022

Namen sind Schall und Rauch

Viele neue Namen in der Arbeitswelt - 

Die Herausforderungen bleiben die gleichen.

Sprache ändert sich im Laufe der Zeit. Häufig um einen Zustand konkreter, oder eine Person präziser zu beschreiben.
Sprache wird allerdings auch als Nebelkerze verwendet, um von einem Zu-bzw Umstand abzulenken.

Ich erinnere mich an die Meldungen im Radio, die ich als Kind hörte.
„Sicherheitsschuhe und Arbeitspapiere seien mitzubringen“, hieß es da.
Gemeint waren die Arbeiter, die für das Entladen der Schiffe im Hamburger Hafen benötigt wurden, stunden- bzw. tageweise. Später, in meiner Ausbildung, habe ich diesen Arbeitertyp kennengelernt. Den „unständig“ Beschäftigten (Quelle). – Wikipedia.

Wie unter dem Link aufgeführt, wurde seinerzeit die Sozialversicherungspflicht für unständig Beschäftigte eingeführt, da Menschen die sich vorher als Tagelöhner verdienten, nicht abgesichert waren. „Tagelöhner“, der Begriff ist bildhaft. Der Lohn wird für den Arbeitstag gezahlt. Kein festes Beschäftigungsverhältnis. Kein formeller Arbeitsvertrag, der die Entlohnung garantiert.

In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts bildeten sich die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten stärker heraus. Hinzu kamen dann noch die Beamten. Es gab formelle Arbeitsverträge, die Gewerkschaften gewannen an Einfluss.

Bis
in die 1990er waren die Regeln in der Arbeitswelt relativ klar. Für die gut Gebildeten gab es gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze Ja, bewusst das Wort Arbeits-Platz. Denn, egal ob in der freien Wirtschaft, oder im öffentlichen Dienst. Die Beschäftigung hatte einen festen Platz im (Arbeits)Leben.

Bedingt durch Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit und dem daraus resultierenden Wirtschaftswunder war die Arbeit, das (Er)Schaffen und das Streben nach Erfolg ein zentraler Punkt im Leben von nahezu zwei Generationen.


Bei den Arbeitern sah das zum Teil anders aus. Die Beschäftigten in der Montanindustrie oder auf den Werften waren in den 1970er einem großen Wandel, und damit dem Abbau von Arbeitsplätzen, ausgesetzt. Die Arbeiter:innen in der Automobilindustrie hingegen, hatten lange Zeit quasi eine Beschäftigungsgarantie.
Im Ruhrgebiet, und an den Küsten bildete sich eine Art „Arbeiterethos“. Die Gewerkschaften erkämpften diverse Lohnabschlüsse.

Durch die Wiedervereinigung vor drei Jahrzehnten kam es für ostdeutschen Arbeitnehmer:innen zu großen Umbrüchen in der Erwerbsbiografie. Im Klartext, sie wurden arbeitslos.

Die Einführung von Hartz-IV führte zu einem Anstieg der Beschäftigungsrate. Immer mehr Menschen fanden einen Job. Das sich Unternehmen aufteilten, um sich der Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat) oder den Flächentarifverträgen zu entziehen, fiel erst später auf. Dann nämlich, als herausgefunden wurde, dass Tarife, Löhne und Gehälter eine negative Entwicklung nahmen. Immer Menschen hatten Arbeit,  Durchschnittsverdiener mussten jedoch Einbußen hinnehmen (Quelle)

In den frühen 2000er Jahren hielt dann die Digitalisierung Einzug. Da der Begriff „Arbeitsplatz“ für die „New Economy“ zu brav klang, wurden in dieser Branche der „StartUps“, „Unicorns“ und „Playern“ neue „Jobs“ geschaffen. Die Crowdworker der digitalen Arbeitswelt brauchte keinen festen Platz, nur eine Docking-Station und eventuell einen Kickertisch.

Die einst sicheren Arbeitsplätze bei Behörden, Banken und Versicherungen wurden durch die beginnenden Digitalisierung reduziert. Dienstleitungen wurden in (außer)europäische Callcenter ausgelagert.

Im Jahr 2000 platzte die New Economy Blase (Dotcom-Krise), acht Jahre später entsandt durch die Pleite der Lehmann Bank eine weitere Wirtschaftskrise.
Seit 2020 führt die Corona-Pandemie zu starken Verwerfungen.

Diese drei Krisen haben eines gemeinsam. Im Gegensatz zu dem weiter oben erwähnten „Wirtschaftswunder“ gibt es jetzt nichts Neues mehr zu erschaffen. Wir haben alles. Den Produktionsvorteil bei erneuerbaren Energien haben wir aus der Hand gegeben, die Digitalisierung im Dienstleitungsbereich verschlafen, und der Transformationsprozess bei der Automobilindustrie steht noch aus.
Aktuell ist ersichtlich, dass es Deutschland nicht gelungen ist, durch die Digitalisierung effizienter zu werden. Sei es im Bildungsbereich, oder bei den administrativen Arbeiten der öffentlichen Hand.

Jetzt wird über abstrakte Begriffe wie Plattformökonomie und informelle Arbeit berichtet. Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Begriffe erschaffen wurden, damit die Betroffenen nicht merken, dass über sie gesprochen wird.

Die Plattformökonomie hat unbestreitbar Vorteile für die Beschäftigten. Flexible Arbeitszeiten, die viel gepriesene Selbstbestimmung.
Was ist jedoch mit der Mitbestimmung? Während in der IT-Branche die Nachfrage nach Fachkräften zu meist
guter Bezahlung führt, sieht es beispielsweise bei den Lieferdiensten überwiegend anders aus (Quelle).Immer weniger Arbeitnehmer an Tarifverträge gebunden | BR24

Bleibt zu hoffen, dass die informelle Arbeit nicht wieder Einzug in unsere Arbeitswelt hält, denn das wäre ja wieder Tagelöhnerei (Quelle).

Journalist:innen haben in ihrem Umfeld mitbekommen, wie Jobs in der Kreativbranche, ausgelöst durch die Pandemie, wegbrachen.
Jetzt besteht ein größeres Interesse an „working poor“ und „Arm trotz Arbeit.
Der Deutschlandfunk widmet sich im Rahmen seiner „Denkfabrik“ ausführlich dem Thema „Zukunft der Arbeit“.

Und die Diskussion ist auch dringend erforderlich.

Die Arbeitswelt steht vor einem großen Transformationsprozess. Viele gute bezahlte Jobs werden wegfallen z.B in der Branche "Gewinnung von Erdöl und Erdgas" oder in der"Kokerei und Mineralölverarbeitung" (Quelle)

Warum ist es wichtig die Entwicklung bei den Tarifverträgen und Gehältern kritisch zu beobachten?

Weil sich unser Sozialstaat aus Beiträgen, Umlagen und Steuern finanziert.

Jede Einkommenseinbuße im Arbeitsleben führt eher zu Altersarmut.

Und eine
alte Gesellschaft bedarf medizinischer Versorgung. Diese muss bezahlt, sprich erwirtschaftet werden. Und sie muss für die Betroffenen bezahlbar sein.

Wir können von einem bedingungslosen Grundeinkommen träumen, oder uns dem Transformationsprozess stellen. Wir als Gesellschaft in der Summe von Verbraucher:innen, Arbeitnehmenden, Gewerkschaften, als auch Vertreter:innen aus Politik und Wirtschaft.

Wie können Arbeitnehmende ihre Jobs behalten? Wie können Arbeitssuchende Jobs finden? Durch welche Stellschrauben in der Politik kann der Mangel an Fachkräften reduziert werden? Was ist gerechte Bezahlung? Wie wird eine lebenswerte Rente erwirtschaftet?

Bei der Beantwortung dieser Fragen helfen uns verbale Nebelerzen nicht weiter.


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